Flugreise Côte d'Azur 2010
Tag 8 – Der Kreis schliesst sich in Sospel
Der Morgen unseres letzten Tages auf unserer Flugreise an die Côte d’Azur bringt strahlenden Sonnenschein, das Meer leuchtet uns in seinen schillerndsten Blautönen entgegen. Leider mischen sich auch zunehmend weisse Schaumkronen ins idyllische Bild – sie kontrastieren zwar hervorragend mit dem blauen Wasser, zeigen uns aber unmissverständlich an, dass der Wind bereits am Morgen zu stark ist. Und laut Prognose wird der Wind im Laufe des Tages immer stärker.
Wir beschliessen, nach Sospel zu fahren, das etwas geschützter liegt. Somit schliessen wir den Kreis und absolvieren unseren letzten Flug auf dieser Reise im selben Fluggebiet wie den ersten. Wir fahren auf den Bunker, ich starte so zügig wie möglich, um sicher nochmals den Fahrdienst an den Startplatz geniessen zu können (Dank an Ronnie für seine souveränen Chauffeurkünste!). Nach dem Abheben finde ich zerrissene, recht ruppige Thermik. Anstatt einfach zu landen, kratze ich am Hang herum und fliege dabei trotz unruhiger Luft nahe über den Bäumen, bis Ueli mich per Funk zurückpfeift. Ich lande mit schlechtem Gewissen, zum Glück verdeckt die Balaclava die Schamröte ;)…
Vor dem zweiten Flug sehen wir krasse Konvergenzen, die die Schirme regelrecht senkrecht in die Höhe reissen. Einen Hochleister erwischt es besondres krass, es klappt und stallt und pendelt, bevor er Riesenohren macht und auf direktem Weg zum Landen abrauscht. Kommentar am Startplatz: Da geht einer sein Höschen wechseln…
Bis ich starte, ist von Thermik oder Konvergenz nicht mehr viel zu spüren. Zu allem Überfluss suche ich auch noch auf der Leeseite des Starthangs nach steigender Luft, wodurch Ueli auch nicht happier wird. Da ich eh nichts finde, artet mein letzter Flug auf dieser Reise in ein Sich-den-Hang-runter-spülen-lassen aus. Wenigstens erreiche ich sicher den Landeplatz. Tjanu, ich buche das unter der Kategorie ‚Lern was draus, Du Pinsel‘ ab.
Stefan und ich verabschieden uns etwas wehmütig von den anderen, die nun Richtung Heimat losdüsen. Wir nutzen den strahlenden Tag und den laminaren Wind am idyllischen Landeplatz, den wir nun ganz für uns haben, für eine Stunde Groundhandling. Es klappt hervorragend, ich kontrolliere den Schirm zur Abwechslung mal ohne Probleme, und nicht umgekehrt wie auch schon.
Kurz nach halb vier machen wir uns ebenfalls auf die Rückfahrt. Bis auf ein bizarres Erlebnis bleibt die Fahrt vorerst gemütlich und ohne besonderen Vorkommnisse: Weil wir aus technischen Gründen eine Tankstelle einer bestimmten Benzinmarke suchen, verlassen wir in Italien kurz die Autobahn und enden an einer geschlossenen Schranke mit uniformiertem Wächter, der irgendeine private Touristensiedlung bewacht. Ich zeige auf die Tankstelle dahinter und erkläre ihm, dass wir einfach nur Sprit holen wollen. Er überlegt kurz und entscheidet schliesslich, dass er das wohl riskieren kann…
Als wir in Chiasso mal wieder unseren Traditionsbesuch bei McDonalds absolvieren, meldet uns Tobi, dass der Gotthardtunnel geschlossen wurde. Wir konsultieren das Internet mit unseren Handies und lachen uns mit einer Prise Verzweiflung an den 253 Verkehrsmeldungen kaputt: praktisch die komplette südliche Hälfte der Schweiz ist übersäht mit Sperrungen, Behinderungen und entsprechend langen Autoschlangen. Uns empfiehlt man die San Bernardino-Route, was wir dankend ausschlagen – zum Glück, denn wie befürchtet ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch dort dank Unfällen gar nichts mehr geht. Also reihen wir uns in die Schlange vor dem Gotthardtunnel ein und – na, warten halt. Die Lady vom Navi meldet mit unschlagbarer Ungerührtheit und säuselnder Stimme: „Es liegen zu viele Meldungen zu Verkehrsbehinderungen vor, eine alternative Route kann nicht berechnet werden.“ - Schön, dass wir uns einig sind ;)
Nach zwei Stunden Warten geht es dann flüssig, wenn auch auf stark verschneiten Autobahnen nach Hause. Stefan lenkt seinen Q5 ruhig und sicher an den Drängelidioten links und rechts vorbei, die sich im Fahren mit minimalem Abstand bei prekären Strassenverhältnissen und miserabler Sicht unterbieten. Kurz vor Mitternacht bin ich zuhause. Narumol würde meinen Zustand wohl mit ihrem unvergesslichen „Ig bin fick und fertig!“ (siehe hier) beschreiben, und ich freue mich auf mein Luxusbett und sein genialstes Feature: meine Nhu, die ich ehrlich gesagt halt schon sehr, sehr vermisst habe…
Ach ja, wo kann man sich für die Südfrankreichreise 2011 anmelden?
Tag 7 – Briefings à gogo und Café del Mar
Schon am Morgen setzt der Regen ein, es zieht ein Gewitter auf. Plötzlich donnert es, in den Regen mischen sich kleine Hagelkörner. Wir treffen uns trotzdem um 11 Uhr zum Briefing und beschliessen, uns in einer Stunde wieder zu treffen. Hoffen, Bangen, Chillen. Am Mittag wiederholt sich das Ganze, also noch eine Stunde abwarten, wieder Briefing, wieder eine Stunde warten. Eine kleine Pokerrunde hilft, die Zeit zu überbrücken, das Wetter wird besser, die Basis steigt und der Regen zieht in Richtung Nizza davon. Wir beschliessen, dass es Zeit ist, an den Startplatz zu fahren. Ich fühle mich ziemlich mellow, die starken Kopfschmerzen sind aber dank dem Morgenponstan verflogen. Trotzdem entscheide ich mich gegen das Fliegen (wtf?) und sammle dafür alle Bierdosen und –flaschen aus Kühlschrank und Schränken zusammen, während die meisten auf den Mont Gros fahren. Noch ein paar Coladosen und den Flaschenöffner plus leeren Müllsack in die Tragtaschen, Funkgerät um den Hals und ich bin bereit, die Landebier-Bar am Strand von Roquebrune einzurichten.
Ueli schwebt als erster ein und zeigt mir mit schönen Wingovers, wie schön der blaue Sigma über den Blauschattierungen des Meeres soart. Die Bereits-Brevetierten folgen in kurzen Intervallen, die Bald-Brevetierten warten noch, bis eine letzte Gewitterzelle in Strandnähe kollabiert und der Wind etwas nachlässt. Dann steigt der schöne blaue Alpha von Marta auf, die anderen folgen. Ueli weist allen gewohnt souverän am Funk den Weg auf den Strand, wo sanft und gekonnt gelandet wird. Bier und Cola haben mittlerweile angenehme Trinktemperatur erreicht, wir stehen gemütlich zusammen und freuen uns mit den Bald-Brevetierten über deren Mont-Gros-Jungfernflüge, die herrliche Aussicht auf das Meer und eine gelungene Woche an der Côte d’Azur, die sich langsam spürbar dem Ende zuneigt. Als Bonus amüsieren wir uns noch über das Rudelchen Osteuropäer, die aus unerfindlichen Gründen möglichst nah an der Wasserlinie landen und ab und zu gepflegt die Tücher ins Meer falten. Den Hauptpreis in dieser Disziplin gewinnt der Tandemplilot, der es schafft, sauber zu landen und seine ganzen Quadratmeter Biplace ins Salzwasser zu legen – als Belohnung darf er den Schirm unter der Süsswasserdusche am Strand spülen und über das Beachvolleyballnetz drapieren. Ob es bei denen im lokalen XC-Contest Extrapunkte für feuchtes Material gibt?
Tag 6 – Wer wagt (und wartet) gewinnt
Heute fahren wir gegen Mittag wieder auf den Mont Gros; die Basis ist tief, der Wind kommt vom Meer, die Sonne kämpft hinter der Wolkendecke um ihren Auftritt. Der Verkehr am Startplatz hält sich in erfreulichen Grenzen, sodass ich zügig starte – mangels Aufwind nach Monaten mal wieder vorwärts, was erstaunlich gut gelingt. Ich soare den üblichen Kanten entlang und bin mit den Nullschiebern, die ich antreffe, nicht wirklich zufrieden. Die Wellen am Landestrand sind heute deutlich grösser, was die Breite des Landeplatzes auf einen schmalen Streifen beschränkt, sofern man im Trockenen landen will ;) Also fliege ich nach einer Stunde zum Touchdown, was dank sattem Gegenwind sanft gelingt. Nach dem Falten und Einpacken meldet der Startplatz, dass die Basis sich gesenkt hat und man im Nebel steht, also nicht starten kann (resp. darf). Also beschliesse ich, erst eine Stunde später wieder den Bus an den Startplatz zu nehmen und in der Zwischenzeit die heftiger werdende Brandung zu bewundern.
Tatsächlich steigt die Basis dann wieder, wir beschliessen, nochmals hoch zu fahren – wenigstens versuchen wollen wir es! Wir laden die Schirme in den Linienbus und wollen das Ticket lösen. Der Fahrer fängt an zu fuchteln und konfrontiert uns mit einem Schwall schnellem Französisch. „Lentement pour les tourists, Monsieur le chauffeur, s.v.p.!“. Er erklärt uns, dass er nicht mehr hochfährt, weil die Sicht zu schlecht zum Fahren sei. Tataaa! What the fuck?? Wo sind wir denn? Wenn man bei schlechter Sicht wegen Nebels nicht mehr fahren könnte, wäre die Ostschweiz vom Oktober bis Februar autofrei! Ich kann’s nicht glauben und bin stocksauer. Von wegen wir haben’s wenigstens probiert! Meinen Frust funke ich an Ueli, der ruhig grinsend mit dem Schlüssel zum paraworld-Bus erscheint: Fahrt doch einfach selber rauf!
Aber klar doch, ich klemme mich ans Steuer und wir fahren rauf. Die Sicht ist gut, bis auf wenige Meter, wo sie aber immer noch gute 30m beträgt. Easy. Also rauf auf den Rasenteppich des Mont Gros, wo die anderen noch am Warten sind. Der Aufwind ist nun aber richtig heftig. Ueli gibt die Losung aus: nur wer den Starkwindstart sehr gut beherrscht und sofort nach dem Abheben die Ohren anlegen und beschleunigen kann, soll es wagen. Dominik gehört wohl dazu (hahaha) und zeigt uns mit seinem neuen Ozone FLX, wie man es machen sollte. Die Sicht ist null, alle paar Minuten reisst es aber für ein paar Sekunden auf. Ich stelle mich hin und ziehe den Schirm auf Ueli’s Kommando rückwärts in den starken Wind auf, der nun auch noch von der Seite kommt. Ein Ohr füllt sich nicht recht, ich bremse die Seite kurz an (was falsch weil unnötig ist) und merke, dass der Schirm nun seitlich wegdreht. Nach dem Ausdrehen dann der Anfängerfehler: anstatt einseitig anzubremsen und den Schirm wieder über meinen Kopf zu zwingen, bremse ich beide Seiten an, was alles beschleunigt und eher noch schlimmer macht. Ich unterlaufe den Schirm und bin wieder zentriert, allerdings deutlich links vom idealen Slot. Es geht rasend schnell, ich hebe ab und steige erwartungsgemäss schnell direkt in die Wolke. Also reisse ich die Ohren runter und trete den Beschleuniger voll durch. Nach wenigen Sekunden haben ich wieder gute Sicht, halte aber die Ohren weiter unten und lande dadurch schon fast wieder am steilen Abhang. Eieiei. Ohren raus, es steigt wieder etwas. Ich habe etwas Angst vor dem Lee hinter dem nächsten grossen Buckel und drehe raus in Richtung Meer. Das klappt sehr gut, allerdings verpasse ich die steigenden Luftmassen so. Egal, noch etwas am Hotel rumsoaren, welches oben auf dem Felsen droht und einem den Eindruck suggeriert, es stürze jederzeit auf den Strand herunter. Der Wind an der Küste ist nun stark genug, um schön gegen den Wind zu schieben und eine einfache Landung hinzulegen. Ha, das ‚wir haben es wenigstens versucht‘ hat sich für einmal ausbezahlt. Was für ein Weichei von Busfahrer ;).
Tag 5 – Grounded.
Wie prognostiziert, bringt der heutige Tag Regen und heftigen Wind, womit das Grounding heute endgültig ist. Die Alternativen zum Fliegen sind für mich natürlich alle unbefriedigend, aber man muss halt das Beste daraus machen. Aquarium, Museen, Wellness – nö danke. Wir fahren stattdessen zu viert nach Menton, schlendern etwas durch die nassen Strassen und suchen ein Kaffee, wo wir auch noch Kuchen essen und vor uns hinalbern. Der 15€-Eintritt zum Zitronenfest ist uns zu teuer (die bauen da ganze Gebäude, Dinosaurier und anderes aus Orangen und Zitronen – leicht meschugge, aber irgendwie noch witzig), und so gehen wir einfach wieder einmal einkaufen – die Partynacht gestern hat unter unseren Vorräten üble Verwüstungen angerichtet.
Auf der Rückfahrt nach Roquebrune macht sich unsere Müdigkeit immer stärker bemerkbar, darum hauen wir uns alle vier für ein Stündchen auf’s Ohr – auch wenn es dann satte zwei Stunden werden. Der zusätzliche Schlaf könnte sich noch als lohnende Investition erweisen ;).
Tag 4 – Sonne, Thermik und ein Duschvorhang
Die Wetterprognosen versprechen heute den perfekten Tag: Sonne pur, labile Schichtung der Atmosphäre und gute Temperaturgradienten. Wir fahren nach Sospel, meint Herz lacht schon auf der Fahrt zum piktoresken Städtchen.
Der erste Flug kurz vor Mittag zeigt bereits erste heftige Thermikblasen, es ist aber schwierig für mich, oben zu bleiben. Also lande ich nach 20 Minuten und packe schnell wieder zusammen, um möglichst bald wieder am Startplatz zu sein. Ronnie fährt uns hoch, der Soundtrack dazu kommt von den Beastles (check it out: http://www.djbc.net/beastles/). Ich reisse mein Zeug aus dem Packsack und los geht’s. Sofort trägt es, und nach wenigen Minuten bringt mich der erste Hammerschlauch auf 2000 m.ü.M., womit der Startplatz bereits um deutlich mehr als 1000 Meter überhöht ist. Ich frage per Funk, wie hoch wir hier fliegen dürfen, im Kopf habe ich 1980 m.ü.M., die Antwort heute lautet leider nur 1800 m.ü.M. Also gibt’s heute ein neues cooles Spiel: Steigen, runterspiralen, wieder steigen, usw. Wahnsinn. Das Panorama der verschneiten Berge, der Ausblick auf das Meer, einfach paradiesisch! Leider wird’s ab 1500 m.ü.M. richtig kalt, ich könnte mich in den Allerwertesten beissen, dass ich hinten im Gurtzeug noch jede Menge warme Kleider habe… Nach einer Stunde werden die Finger langsam klamm – die Winterhandschuhe liegen im Hotel. Nach gut 90 Minuten und herrlichem Fliegen lande ich sauber und sicher. Noch eine halbe Stunde Groundhandling geht’s zum Landecola in unsere ‚Stammbeiz‘ in Sospel.
Einziger Wehmutstropfen: der rechte Mittelfinger fühlt sich an der Kuppe taub an. Aber was soll’s :). Wird schon wieder werden, war wohl doch etwas zu kalt…
Auf dem Rückweg führt uns Tobi ins Möbelgeschäft, um einen Duschvorhang samt Stange und Ringen zu kaufen – langsam aber sicher werden wir den Franzosen schon noch die Zivilisation beibringen ;). Der erste Praxistest ist eine Offenbarung: langes heisses Duschen OHNE Sintflut – genial! Jetzt fehlt nur noch die Halterung für den Duschkopf….
Nachtrag:
Zum Abendessen liessen wir uns etwas Besonderes einfallen: Ein selber organisiertes kaltes Buffet auf der Terrasse eines unserer Appartements (und an dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an die Gastgeber und Köchinnen!). Eine geniale Lösung, denn so konnten wir alle gemütlich zusammensitzen, Plaudern und Lachen. Dank der vernichtenden Wetterprognose für den nächsten Tag zog sich das zunehmend feuchtfröhliche Feiern bis in die nicht-mehr-so-frühen Morgenstunden hinein. Ein persönliches Highlight für mich war die spontane Überraschungs-Geburtstagstorte zu meinem 36. um Mitternacht – werd ich nie vergessen!
Tag 3 – Der ganz normale Mont Gros – Wahnsinn
Schon am Morgen verziehen sich die letzten Wolkenschlieren über dem Meer und die Sonne strahlt auf das azurblaue Meer: Mont Gros, wir kommen!
Leider sind wir anständig und lassen den Ungaren, Tschechen und Rumänen beim Bus den Vortritt – mit dem Resultat, dass wir keinen Platz mehr haben (stehen ist hier streng verboten…). Also noch eine Stunde warten und zuschauen, wie wieder Wolken aufziehen. Tjanu, es hat auch ein paar süsse Thermikpuffwolken darunter, also kein Grund zur Besorgnis.
Als wir endlich auf dem Mont Gros ankommen, finden wir einen grossen farbigen Zoo aus Gleitschirmpiloten aus aller Welt an. Ich habe selten so viele Farben auf so wenigen Quadratmetern gesehen. Besonders geil sind die total ausgebleichten 80er-Jahre Overalls, die scheinbar vor allem von Osteuropäern bevorzugt werden. Alle paar Minuten startet ein Schirm, meistens anständig bis professionell. Die meisten Piloten warten aber auf bessere Windbedingungen.
Nach einer halben Stunde packe ich mal aus und sortiere die Leinen, dann stell ich mich in die Startschlange. Der Aufwind ist nun stärker, perfekt für einen Rückwärtstart auf dem makellosen Rasenteppich – wir sind halt in Monaco.
Nun wollen plötzlich alle in die Luft, es wird etwas hektisch. Ein Pilot – nennen wir ihn Tubel – drängt und rempelt sich mit seinem Omega durch die Menge und legt seinen Hochleister vor die startbereiten Schirme – wir lieben ihn alle auf Anhieb. Ehrensache, dass er rückwärts aufzieht, dumm gelaufen, dass er zwei Wartende mit seinem Schirm einpackt, als der völlig schief hochkommt und wieder runterknallt. Da Übung bekanntlich den Meister macht, wiederholt er das noch dreimal. Ein Kollege legt ihm dann den Schirm korrekt aus, und es gelingt ihm ein wirklich beeindruckender und kontrollierter Start.
Plötzlich tut sich eine Lücke weiter vorne an der Kante auf, ich lege mein Bündel zügig hin, mache einen letzten kurzen Check und ziehe auf. Alles bestens, darum umdrehen und losgeht’s!
Ich weiche dem grössten Pulk vor mir aus und versuche es etwas weiter im Luv vom Landeplatz. Die Thermik ist eher ruppig und unregelmässig, einen richtigen Schlauch finde ich nicht. Also suche ich eine Kante, um es mit Seewindsoaring zu versuchen. Plötzlich fliegt ein ganzes Rudel an den gegenüberliegenden Hang, dort scheint es flott aufwärts zu gehen. Allerdings liegt der Hang ein paar hundert Meter im Lee des Landeplatzes, und ich bin tiefer als die Traube. Trotzdem fliege ich mal in die Richtung, weil’s grad gut trägt. Ich denke für mich, dass die Schirme recht nah beieinander fliegen und irgendwie jeder seine eigene Drehrichtung nimmt, ohne auf die anderen zu schauen. Der Wind parallel zur Küstenlinie ist stärker geworden, ich beschliesse, sofort umzudrehen, sobald das Steigen aufhören sollte. Dann direkt vor mir: zwei Schirme kollidieren, der Pilot der den anderen Schirm rammt fliegt unbehelligt weiter, während der ahnungslos gestreifte sofort den Notschirm reisst. Sein Gleitschirm öffnet sich aber noch vor dem Notschirm wieder, beide Schirme stehen in Scherstellung, er sinkt schnell, zu schnell für mein Empfinden. Bis zu den nächsten Hausdächern dauert es nur wenige Sekunden, ich sehe den Einschlag selber nicht, aber das Kollabieren der Schirme deutet auf eine unsanfte Landung hin. Alles ging rasend schnell, ich greife verwirrt zum Funk und melde den Notschirmabgang an Dominik. Das bringt wohl nichts, aber mehr fällt mir nicht ein, ich bin zu tief, um selber hinzufliegen…
Also umdrehen und landen gehen. Auf dem Weg zum Landeplatz am Strand sehe ich Tubel im Lee wenige Meter über dem Meer am Wingovern. Schön, wenn man die Leistung seines Schirms kennt und trotz starkem Gegenwind noch im Lee fliegen kann… Ich suche mir zwischen den überall am Strand verstreuten Schirmen und naiven Groundhandlern einen Fleck für den Touchdown, leider liegt der direkt vor dem kleinen Rinnsal, das quer über den Strand ins Meer mündet. Ich bremse den Schirm darum nach der Landung nochmals kurz an und hüpfe erfolgreich über das Nass. Als ich mich umdrehe und den Schirm stalle, sehe ich Tubel im Meer schwimmen, sein Schirm zieht ihn immer wieder ins Salzwasser zurück, sobald er versucht, auf dem steilen Fels ans Land zu krabbeln - hat scheinbar doch nicht ganz gereicht, gegen den Wind den Landeplatz zu erreichen ;). Vier Piloten erlösen ihn und ziehen Schirm und Tubel an Land. Als ich sehe, dass ihm nichts fehlt (ausser etwas Verstand vielleicht), lasse ich meiner Schadenfreude freien Lauf und sehe ihm belustigt zu, wie er seinen Schirm unter der Stranddusche wässert…
Anstatt nochmals zum Startplatz zu fahren, gehen wir einkaufen, und kurz nach uns treffen auch Tobi und Marta ein, die mit uns das Appartement teilen, aber leider erst heute Montag die Reise nach Südfrankreich antreten konnten.
Das Abendessen findet in einer schönen rustikalen Pizzeria statt. Den Helmcam-Film vom Mont-Gros-Wahnsinn gibt’s dann mal später…
Tag 2 – Karmapunkte sammeln!
Nach einem Luxusfrühstück (Wurst, Käse, Brote, Eier mit Speck, Joghurt, Kaffee, Orangensaft) fahren wir nach Gourdon und besichtigen erst mal systematisch alle Startplätze in der Hoffnung, an einem startbare Verhältnisse anzutreffen. Leider herrscht überall starker Rückenwind (10-35 km/h). So begeben wir uns auf den steilen Zickzackweg auf’s oberste Plateau. Aber auch dort bläst der Wind aus der falschen Richtung, und das mit Böenspitzen gegen 50 km/h (Dave, nochmals Danke für den Windmesser:).
Da die Sonne plötzlich durchbricht und man im Tal sieht, wie der Wind dreht (die Franzosen zünden irgendwie dauernd Sachen an, sodass man zig Rauchsäulen als Spione nutzen kann), warten wir erst mal geduldig in der Sonne und bauen uns ein Steinmannli.
Leider reicht die Sonneneinstrahlung heute nicht mehr aus, um die starken Höhenwinde in günstigere Richtungen zu zwingen. Also beissen wir in den sauren Apfel und üben uns in Charakterstärkung, indem wir unsere Schirme wieder hinuntertragen. So sammeln wir fleissig Punkte für unser Karmakonto, die wir hoffentlich bald gegen geniales Flugwetter eintauschen können.
Nun stellt sich die Frage: Crêpes essen gehen in Gourdon, oder optimistisch den Kennedy-Startplatz aufsuchen und dort wenigstens einen gepflegten Gleitflug ins Tal möglich machen? Ich entscheide mich für letzteres: wenigstens habe ich dann alles versucht heute. Leider herrscht auch dort Abwind, der aber plötzlich abstellt. Kann man hier bei Nullwind starten? Ueli holt seinen Sigma und zeigt uns, wie man rückwärts eine Deltarampe hinunterstartet. Zwei Minuten später zieht unverhofft ein anständiger Aufwind den Startberg hinauf und ich schöpfe wieder Hoffnung: bei diesen Bedingungen traue ich mir einen sauberen Start zu. Leider flaut der Wind schnell wieder ab, und die Handvoll Wagemutiger, die noch einen Nullwindstart auf der Rampe hinkriegen, können mich nicht genug überzeugen, es auch zu wagen. Sie sind allesamt viel erfahrenere PilotInnen und kriegen es gerade so hin. Also bleibe ich meiner Devise treu, bei Unsicherheit und Zweifeln am Boden zu bleiben. Es wird mich noch tagelang wurmen, aber ich hoffe nun einfach darauf, dass die nächsten Tage ausgiebiges Fliegen ermöglichen und damit den heutigen Warten-und-Hoffen-Tag vergessen lassen. Wir haben’s wenigstens versucht, und vielleicht klappt’s ja wirklich mit den Karmapunkten?
Das Leiden wird deutlich erträglicher, als Dominik ankündigt, dass wir heute in mein absolutes Lieblingsrestaurant – La Roquebrunoise – zum Abendessen fahren. Ich esse exakt dasselbe wie letztes Mal und bin genauso begeistert wie damals! Auch den anderen schmeckt’s, wir werden wohl noch einmal vorbeischauen diese Woche!
Morgen sieht es wettermässig deutlich besser aus, der Plan für mich sieht so aus: am Vormittag auf den Mont Gros in Monaco, um die azurblaue Küste abzufliegen und ein paar hübsche Bilder zu schiessen. Wenn es dort gut fliegt, kann das zum Tagesprogramm werden, ansonsten schliesse ich mich dann gegen Mittag der Flugschülergruppe an, die nach Sospel geht: wenn es morgen irgendwo in der Gegend gute thermische Bedingungen gibt, dann dort.
Tag 1 - Aller Anfang ist schööööön
Stefan holt mich wie abgemacht pünktlich um 7 Uhr morgens mit seinem schönen blauen Q5 ab und wir düsen gemütlich los. Kein Verkehr, selbst durch den Gotthard geht es flüssig. Bei Chiasso geben wir uns den obligaten McDonald’s-Besuch und treffen die 20 Paraworldler, die in den Bussen reisen. Sie sehen noch gar nicht so zerknittert aus, es scheint also genug Platz zu geben.
Wir fahren im Konvoi weiter Richtung Genua und dann nach Osten; vor der französischen Grenze bekommen die Busse Diesel und wir feinen Espresso. Die vielen Raucher versuchen sich im Thermikmachen, dann entscheiden wir uns für die direkte Weiterfahrt nach Sopsel. Yeah, einer meiner Lieblingsplätze zum Fliegen!
Am frühen Nachmittag sind wir am Startplatz auf dem Dach des alten Bunkers, der schön mit Rasenteppich ausgelegt ist. Alles sieht immer noch aus wie vor einem Jahr. Ueli startet seinen Sigma schon, während Dominik den Schülern noch das Landeplatzbriefing verabreicht. Da es herrlichen Aufwind hat und Ueli sofort überhöht, will ich nicht mehr länger warten. Der Rückwärtsstart ist easy und problemlos. Leider hat die Thermik schon abgestellt, ein paar Blasen rupfen noch ab und zu an der Kappe und verlängern den Flug etwas, ich hab aber keinen Bock auf den grossen Kampf und fliege lieber ein paar Kurven zum Landeplatz, wo die meisten bereits warten. Herrlich laminarer Gegenwind ermöglicht eine Landung im Stand und eine halbe Stunde gepflegtes Groundhandling. Leider hatte ich mal wieder vergessen, die Helmkamera einzuschalten….
Wir packen und fahren zu den Appartements in Roquebrune-Cap-Martin. Der Zugang zur Tiefgarage besteht aus einem sehr engen Autolift – der Q5 passt grad so rein mit gefühlten 4mm spatzig auf jeder Seite. Der Parkplatz ist dann etwa im selben Format, es ist halt eng hier an der Côte :).
Die Appartments sind spitze, quasi eine Dreizimmerwohnung mit Küche und riesigem Balkon mit Meersicht – sobald ich mal daran denke, die Kamera aus dem Auto zu holen, gibt’s ein Beweisfoto.
Nach dem Auspacken geht es ans Einstöpseln der ca. fünfhundert Netzteile für Handys, Laptops, Spiegelreflex, Helmcams, Varios, MP3-Player, Rasierapparate, Zahnbürste… Glaubten wir an Elektrosmog, wir würden garantiert dran ersticken :).
Jetzt gehen wir Pizza essen und hoffen dann fleissig auf gutes Wetter morgen – die Prognose sieht allerdings eher bescheiden aus…
--- Nachtrag: Die Pizzeria war zu, also gingen wir zum Asiaten mit den lustigen Sakegläsern (wer letztes Mal dabei war, weiss wovon ich hier tippe ;-) Dafür haben sich die Wetterprognosen gebessert und es sieht nach FLIEGEN aus morgen!
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